CASATI
«Das Polieren der Teile und das Ausmalen der Pantografien? Ja, das ist sehr viel Arbeit. Feinarbeit. Feine Arbeit, um genau zu sein ...»
Als sich Pietro Casati entschloss, sich der Produktion von Rennrädern zu widmen, war er knapp 30 Jahre alt – und der Erste Weltkrieg seit gerade einmal zwei Jahren vorbei. Der 1891 geborene Casati, der kurz vor Kriegsausbruch als einer der Pioniere des Strassenradsports die lombardische Meisterschaft gewonnen hatte, wählte 1920 seine Heimatstadt Monza als Standort für seine Velomanufaktur. Und obwohl dieser unweit von Mailand gelegene Ort vielen Rennsportbegeisterten aufgrund des Autodromo Nazionale di Monza, einem der schnellsten Rundkurse für Automobil- und Motorradrennen, bekannt sein dürfte, sind es die von menschlicher Kraft bewegten Fahrmaschinen der Firma Casati, die bis heute den tadellosen Ruf eines handwerklichen Spitzenprodukts mit Strassenzulassung geniessen.
Den aus zeitlicher Sicht bisher grössten Anteil am Erfolg des Unternehmens Casati kann zweifelsohne Pietros Sohn Gianni für sich verbuchen. Geboren 1933, in jenem Jahr also, in dem Tullio Campagnolo seine Firma für Rennradkomponenten gründete, wurde Gianni Casati bereits im Alter von 12 Jahren vom Vater in die Geheimnisse des Rahmenbaus eingeweiht – und perfektionierte dieses Wissen während mehr als fünf Jahrzehnten, bis er 1997 die Leitung des Familienbetriebs in die Hände seiner beiden Söhne legte.
Die erfolgreiche Doppelspitze aus dem Betriebswirtschaftler Massimo und seinem auf Entwicklung und Produktion spezialisierten Bruder Luca beweist seitdem, dass bewusstes Einhalten von Werten und Tradition als Motor für kontinuierliche Qualität und Erweiterung eines Geschäftsmodells funktionieren kann: Cicli Casati produziert aktuell nicht nur den von Gianni Casati in den 1970ern entworfenen Stahlrahmen Campionissimo in nahezu unveränderter Form, sondern spielt auch mit seinen Carbonerzeugnissen und den aus Columbus XCR muffenlos gelöteten Edelstahlrahmen in der Topliga der Rennradmanufakturen.
Dass die Casatis bis heute nicht als Sponsor eines professionellen Teams auftreten, sondern stattdessen junge Talente des Amateurradsports unterstützen, hat übrigens einen triftigen Grund: Die Finanzierung eines Topteams würde das Unternehmen zwingen, günstige Importrahmen in grossen Stückzahlen unter dem Familiennamen zu vertreiben – was jedoch aus Sicht der Casati-Brüder weder mit der Tradition noch der nach wie vor gültigen Wertestruktur des Familienbetriebs vereinbar wäre. Auch in Zeiten der globalen Expansion erfolgreicher Unternehmen bleibt Cicli Casati also das, was die Firma bereits vor fast 100 Jahren war: ein kleiner Hersteller grossartiger Fahrradrahmen.
Das Casati der Staeger Collection ist ein bis ins Detail aufgearbeitetes Exponat – und eine Augenweide, denn die Pantografien des Lenkervorbaus, der Sattelstütze und der Kettenblätter ergänzen sich nach kundiger Renovierung geradezu perfekt mit dem klassischen Stahlrahmen und den Campagnolo Nuovo Record Komponenten.
Ein zweites Casati dieser Generation kann zudem im Museo del Ciclismo Madonna del Ghisallo bestaunt werden. Das im norditalienischen Magreglio in der Nähe des Comer Sees gelegene Museum befindet sich lediglich 50 Kilometer von Monza entfernt und ist ein Wallfahrtsort aktiver Radsportprofis und Velofans.